Verkehrsrecht
Abstandsunterschreitungen müssen nicht anhand der Fahrbahnmarkierung erkannt werden – Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 05.01.2015 unter dem Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 322/14
Es ist Autofahrern nicht zuzumuten, dass sie eine Abstandsunterschreitung anhand der regulären Fahrbahnmarkierungen erkennen.
Außerdem reichen Geschwindigkeitsmessungen mit einem ungeeichten Tacho im Polizeifahrzeug nicht aus, um eine Geschwindigkeitsüberschreitung zu beweisen.
Im vorliegenden Fall wurde einem LKW-Fahrer vorgeworfen, die Geschwindigkeitsgrenze von 50 km/h überschritten zu haben. Weiterhin soll er den Mindestabstand, der bei über 50 km/h 50 m beträgt, nicht eingehalten haben.
Das Amtsgericht Wildeshausen verurteilte den Fahrer zu einer Geldbuße von 80 EUR. Das Amtsgericht gab in seiner Begründung an, dass der Fahrer an der Fahrbahnmarkierung hätte erkennen können und müssen, dass der Mindestabstand unterschritten war. Nach Auffassung des Amtsgerichtes muss jeder Fahrer die Länge der unterbrochenen Fahrbahnstreifen kennen und wissen, wie groß der Abstand zwischen diesen ist.
Weiterhin wurde als Beweis für die Geschwindigkeitsüberschreitung angeführt, dass der ungeeichte Tacho eines Kontrollfahrzeuges der Polizei mehr als 63 km/h angezeigt habe, als das Fahrzeug parallel zum LKW fuhr.
Gegen dieses Urteil reichte der LKW-Fahrer Rechtsbeschwerde ein. In seiner Beschwerde führte er aus, dass ein Kraftfahrer weder die Länge der Fahrbahnstreifen, noch die Länge der dazwischen liegenden Abstände kennen muss. Dies werde weder in der Fahrschule unterrichtet, noch gehöre es zum Allgemeinwissen. Selbst der Anwalt des Fahrers, der auf Verkehrsrecht spezialisiert ist, musste die genauen Längenangaben dafür nachschlagen.
Das Oberlandesgericht Oldenburg gab dem Fahrer in dem Punkt recht, dass ein Kraftfahrer diese speziellen Maße nicht kennen muss und insofern der Fahrlässigkeitsvorwurf bei der Abstandsunterschreitung damit nicht begründet werden kann.
Zudem stellte das Gericht fest, dass die Angabe, „der Tacho des Polizeiwagens zeigte „mehr als 63 km/h“ an“, nicht ausreicht, um eine nicht mehr vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung zu beweisen. Denn mehr als 63 km/h sind auch 63,1 km/h. Nach Toleranzabzug von 20 % (aufgerundet auf 13 km/h) würde man auf eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 50,1 km/h kommen. Werden also volle km-Angaben betrachtet, wären höchstens 64 km/h ausreichend, nicht aber 63 km/h.
Außerdem ist zu klären, ob die Geschwindigkeitsangabe aufgrund eines maschinell vorgefertigten Schreibens, bei dem nur ein Kreuzchen bei „mehr als 63 km/h“ gemacht werden musste, erfolgte oder aufgrund eines individuellen Schreibens der Polizeibeamten.
Denn wurde das Schreiben individuell aufgesetzt, wäre zu klären, weshalb eine derart exakte Ablesung des Tachos möglich war.
Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied somit, dass die Sache erneut verhandelt werden soll. Bei der nochmaligen Verhandlung sollen dann die oben genannten Punkte berücksichtigt und evtl. durch Vernehmen der Polizeibeamten geklärt werden.